Die Geschichte des Urbaums
Der „Jakob Fischer“ ist sicher der berühmteste Apfel aus dem Landkreis Biberach. Der Apfel ist dabei nicht Ergebnis einer Züchtung, sondern ein unverfälschtes Geschenk der Natur.
Im Jahre 1903 fand der Bauer und Baumwart Jakob Fischer an einem nahe gelegenen Waldrand seines Heimatdorfes Rottum einen kleine Wildling mit großen Blättern. Er nahm die kleine Apfelpflanze mit nach Hause zu seinem Hof, pflanzte sie ein und zog sie groß. Nach nur wenigen Jahre staunte er nicht schlecht über die Früchte: groß, rot und ungemein schmackhaft. Zwei Jahre später legte er seinen Apfel den Experten des Württembergischen Gärtnereiverbandes vor, woraufhin feststand, dass es sich tatsächlich um eine neue Apfelsorte handelte. Dementsprechend wurde Jakob Fischer die Ehre zuteil, dem Apfel einen Namen zu geben.
In 1920 entwurzelte ein Sturm den Baum, doch Fischer richtete ihn wieder auf und pflegte ihn, bis er schließlich 1928 sein Anwesen samt Baum verkaufte und nach Mettenberg zog. 1947 übernahm die Familie Klug das Anwesen und Peter Klug erntete ein paar Jahre später beinahe 1000 Äpfel in einem Sommer. Im Jahre 1950 benannte die Großbaumschule Scherer den Apfel um in „Schöner vom Oberland“. Trotzdem blieb der Name „Jakob Fischer“ bestehen.
Noch einmal große Aufregung gab es 1975, denn Eigentümer Peter Klug hatte sich vorgenommen, den Baum für Brennholz und weil er außerdem auch zu hoch war, zu fällen. Kaum hatte er die Säge angesetzt und begonnen zu sägen, verhinderte jedoch sein Nachbar Franz Weckerle die Fällung. Stattdessen bot er Klug 100 DM zum Kauf für Brennholz an, insofern er den Apfelbaum stehen ließ. Tatsächlich wurde ebendieser Schnitt 2021 bei der Fällung des Baumes gefunden.
Über die folgenden Dekaden folgten viele Prämierungen, wie die Erklärung zum Naturdenkmal 1993, die Wahl zur Streuobstsorte des Jahres in Baden-Württemberg 1998, sowie die Aufnahme des Jakob Fischers in die „Arche des Geschmacks“ der Organisation Slow Food.
Doch auch ein so bedeutender Baum wie der Jakob Fischer Urbaum hat nur eine begrenzte Lebensdauer. Seit 2012 stand fest, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis der Baum zum letzten Mal Blätter tragen würde und nachdem er 2020 abgestorben und vertrocknet war, wurde er am 20. Februar 2021 gefällt. Dennoch ist die Geschichte des Jakob Fischer noch lange nicht zu Ende. So kreierte Künstler Bernhard Schmid aus dem verbleibendem Material mehrere Skulpturen und schenkte dem Baum so ein zweites Leben.
Ende einer Ära und der Neubeginn
2012 bemerkte Alexander Ego, Leiter der Obst- und Gartenbauakademie (OGAB) und Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau, dass der vom Pilz befallene Urbaum nicht mehr lange leben würde. Zusammen mit Franz Weiss, ehemaliger Leiter der Baumwartvereinigung Landkreis Biberach, überlegte er lange, wie der alte Apfelbaum gerettet werden könnte. Denn beim Veredeln, der gängigsten Methode, sich den Jakob Fischer Apfel in den eigenen Garten zu holen, kommt es immer zu einer Vermischung des genetischen Materials der kombinierten Bäume.
Dann kam die rettende Idee: direkte Klone des Urbaums. Nach langer Suche fand sich Prof. Dr. Hanke vom Julius-Kühn-Institut, ein renommiertes Obstforschungsinstitut in Pillnitz bei Dresden. Damit die Klone entstehen konnten, mussten zunächst einige der wenigen noch existierenden Blattknospen des Urbaums gesammelt werden. Diese wurden im Anschluss so schnell wie möglich nach Dresden geschickt und dort auf eine Nährlösung gesetzt, in der sie dank gleichmäßiger Temperaturen und viel Licht zum Wachsen angeregt wurden. Nach einem Zeitraum von mehreren Jahren, mit viel Bangen um die kostbaren Zellen, war es so weit: 2016 entwickelten sich kleine Triebe, die sich zu Sprossen entwickelten, welche vereinzelt, bewurzelt und schließlich in Erde eingepflanzt werden konnten.
Am 8. Oktober konnten Alexander Ego und Franz Weiss endlich mehrere kleine Bäumchen abholen und nach Biberach bringen. Heute stehen Klone im Museumsdorf Kürnbach und natürlich in Rottum, direkt dort, wo einst der Urbaum stand.